Unaufrichtige Imitation der Sozioprudenz® – eine Klarstellung zur wirklichen Entstehungsgeschichte
Herr Albrecht beschreibt am Anfang seines im Juni 2020 erschienenen Buches, wie er 2008 bei einem Treffen am Bodensee zum ersten Mal von der Sozioprudenz hörte. Da hatte ich mich schon viele Jahre mit dem Thema befasst! Es schon (2004) der Zeppelin-University als Lehrgebiet vorgeschlagen, mich sehr klar über den praktischen Nutzen der Klugheit in Führung und Organisation geäußert (2007), B. Graciáns besondere Bedeutung für die Sozioprudenz hervorgehoben (2001), mit ihr bzw. ihrem Fehlen den wenige Tage zuvor erfolgten Sturz Rudolf Scharpings auf dem Mannheimer SPD-Parteitag erklärt (1995). Seit 2000 eine lange Arbeit verfasst, die als Habilitationsschrift gedacht sein sollte – und diese Philosophen, Soziologen, Politikwissenschaftlern, Historikern, Juristen und Pädagogen von Hamburg bis Konstanz versucht schmackhaft zu machen; damit sie mein Vorhaben unterstützen könnten.
Jedoch stellte sich heraus, daß die jeweiligen Fachkulturen viel zu eingefahren sind, um solch eine sehr interdisziplinäre Neuerung aufzunehmen. Man begrüßte zwar jeweils meinen Ansatz, hielt aber eine Durchsetzung an den jeweiligen Fakultäten für völlig unmöglich, da hier ja eine Mehrheit von Unterstützern gefunden werden müsse. Einzig der schon lange emeritierte N. N. war begeistert, konnte aber mit mir zusammen auch keinen aktiven Politikwissenschaftler ausmachen, der hier hätte helfen können. Der Rechtssoziologe und echte ‚Universalgelehrte‘ N. N. mit dem ich dann korrespondierte, war in einem juristischen Fachbereich von vornehmlich rechtsdogmatisch arbeitenden Kollegen umgeben, so daß auch hier keine Chance bestand, eine solche Arbeit unterzubringen. In der Philosophie herrscht, so läßt sich wohl klar und ohne jegliche Übertreibung sagen, bundesweit eine völlig andere Ausrichtung auf ‚anglo-amerikanische Ansätze‘, ‚Theoriebegründung‘ und ‚Normativität‘ vor; so daß auch hier nichts zu machen war. N. N. hatte damals noch nicht einmal seinen Titel als außerplanmäßiger Professor, hätte also kaum an der Xxxxxxxxxxx Universität eine ‚wissenschaftliche Revolution‘ in der Philosophie starten können. Auch ein berühmter emeritierter Historiker mit dem ich 2006 korrespondierte, fand die Arbeit interessant, verwendete ihre Gedanken in seinen nachfolgenden Vorträgen und Publikationen, unternahm aber ansonsten nicht mehr, als mich auf seinen Nachfolger an der Universität hinzuweisen; bei welchem sich dann herausstellte, daß er der soziologischen Herangehensweise an geschichtliche Stoffe (wie sie von Norbert Elias für den französischen Hof betrieben wird, der hierbei ja eine zentrale Rolle spielt), als ‚Fachhistoriker‘ (für die Geschichte eines anderen Landes) nichts abzugewinnen wußte.
So ließe sich über meine Erfahrungen und die in diesen Jahren erlebte breite Unkenntnis ein eigenes Buch schreiben, auch darüber, wie viele Philosophen oder Sozialwissenschaftler nicht einmal den sehr gravierenden Unterschied zwischen einem ‚Moralisten‘ und einem ‚Moralphilosophen‘ kennen, und sich deshalb entrüstet zeigten oder wunderten, über welch ‚unsonntägliche Denker‘ ich denn da schreiben würde.
Die etablierte Sozialwissenschaft konnte diese Neuausrichtung auf die Klugheit in der Regel überhaupt nicht verstehen. Nach diesen zahlreichen negativen Erfahrungen entschloss ich mich deshalb, die Sache anders anzugehen, und als Schutz vor besser vernetzten Nachahmern, eine Markenanmeldung beim DPMA vorzunehmen (2011), um damit die Sozioprudenz ‚exklusiv‘ und ‚nicht-imitierbar‘ zu machen.
Was aber Cl. Albrecht gar nicht daran hinderte, meine schon eingetragene Marke (mit damals noch sehr umfassendem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, das alle Bereiche der Lehrtätigkeit, der Beratung, der Publikation, der Anwendung in Organisationen umfassend schützte) einfach selbstherrlich zu ignorieren und an seiner damaligen Universität Koblenz die Sozioprudenz (ab 2013/2014) als Wahlfach anzubieten.
Auch in dieser Hinsicht ist also klar erkennbar, wer die prioritären Rechte an der Sozioprudenz® besitzt. 2011 liegt nämlich vor 2013. Was aber der Uni Koblenz und Herrn Albrecht egal war, so daß sie nachträglich – zwei Jahre nach der erfolgreichen Markenanmeldung – gegen mein umfassendes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis vorgingen und es mit Hilfe informeller juristischer Absprachen und unrichtiger Argumentationen auf wenige Schutzbereiche einschränken ließen.
Nun wird meine Erfindung und mein eigentlich markenrechtlich geschütztes Konzept der Sozioprudenz® abermals von Herrn Clemens Albrecht gekapert, – der jetzt ein Buch gleichen Titels erscheinen läßt, ohne mich auch nur zu erwähnen. Es ist ja schon überaus dreist, wenn er in der Öffentlichkeit immer noch so tut, als wüßte er nichts von meinen prioritären Rechten und meinen vorangehenden Arbeiten. Ich hatte das Wort und die Idee der Sozioprudenz nämlich schon lange vor dieser mehrfachen und rücksichtslosen Enteignung durch ihn als eine rechtlich geschützte Benennung für meinen Lehr- und Beratungsansatz, d. h. als Marke für ein bis dahin nicht existierendes Kompetenzkonzept für die Unterrichtung der praktischen Seite der ‚Human- und Gesellschaftswissenschaften‘ erfunden und angemeldet. Eine geschützte Marke kann eigentlich nicht einfach verwendet und beliebig genutzt werden. Es besteht zudem die Pflicht, sich über bestehende Markennamen vorab zu informieren. Und wenigstens eine Nennung des Rechteinhabers vornehmen.
Auch ethisch ist dieses verschweigende und übergehende Verhalten ganz und gar nicht in Ordnung. So wäre es doch das Allermindeste, mich in seinen Veröffentlichungen über die Sozioprudenz nicht einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Mir kommt es also auch sehr darauf an, daß hier nicht aus einer privilegierten professoralen Position heraus, eine Urheberschaft für ein innovatives Konzept an sich gerissen wird; und ich dann nur als unkundiger Nachahmer ohne eigene Ideen wahrgenommen werde, während es doch originär mein Konzept ist, das ich in aufreibenden und langen Jahren entwickelt habe.
Es ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, daß das gezeigte Vorgehen von Herrn Albrecht zumindest ethisch höchst illegitim und fragwürdig ist, auch wenn ihm streng legalistisch vielleicht nicht beizukommen sein mag.
Er zitiert mich nicht, weil er mich in seiner professoralen Erhabenheit gar nicht als gleichwertigen Gesprächspartner zur Kenntnis nimmt*; aber er kapert, klaut das ganze Konzept der Sozioprudenz®. Und in der Konsequenz hat er damit auch gegen das Urheberrecht verstoßen, weil er dieses Wort ja verwendet, ohne seinen Urheber zu nennen und die Nachahmung meiner Ideen ungekennzeichnet läßt.
(* Wiewohl ich andererseits sogar oft den Eindruck habe, daß er mich an vielen Stellen durchaus eifrig benutzt, ohne dies freilich zu sagen oder kenntlich zu machen, und im Ganzen dann immer noch so tut, als wüßte er gar nichts von meinen Vorarbeiten und vorangehenden Überlegungen.)
Mein Konzept habe ich von 2004 bis 2006 verschiedenen Fachvertretern unterbreitet – die mit diesem jedoch sehr wenig anzufangen wußten. Was aber offensichtlich zu einer gewissen Publizität führte. So sind fast alle Gliederungspunkte der damaligen Koblenzer Prüfungsordnung zur Sozioprudenz [Version von 2014] (Klassische Texte der Sozioprudenz; Geselligkeit, Benehmen, Takt; Diplomatie, Strategie, Intrige; einschließlich der behandelten Autoren und Denker) sehr identisch auf meiner damaligen XING-Seite zu finden gewesen. Inklusive meines Werbemottos. Das kann doch kein Zufall sein.
Erwähnen lassen sich auch noch meine Beratungen und Seminare zur Sozioprudenz (z. B.: Sozialer Erfolg: Sozioprudenz® – Lehren der Menschenführung und Macht) und die entsprechenden Internet-Seiten, die ich mittlerweile in den exklusiven Berechtigtenmodus versetzen mußte, damit sie nicht einfach weiter ‚ausgeschlachtet‘ werden können.
Im Übrigen hat Cl. Albrecht im Rahmen des Markenrechtsstreites vom DPMA eine lange Linkliste mit Zugängen zu meinen (arkanen) Websites erhalten, auf denen viele Inhalte dessen standen und stehen, was jetzt in seinem Buch zu finden ist. Die Ähnlichkeiten sind schon frappierend. Nur zwei kleine Beispiele, die jeder Leser selbst beurteilen möge:
Über Adolph Knigges ‚Umgangsbuch‘ schreibe ich (A. S., 08.05.2018) kritisch: „Gewissermaßen ein gouvernantenhaft-behagliches Spießer-Buch.“. Und: „… Knigges Buch ‚Über den Umgang mit Menschen‘ ist geschrieben wie von einer Gouvernante …“ (ebd.)
Nun schreibt Albrecht, mit den sehr gleichen Formulierungen in die entgegengesetzte Interpretationsrichtung: „Ausgerechnet Knigge, der fälschlich den Ruf hat, eine Art Gouvernante für Spießbürger zu sein, rät: …“ (Albrecht 2020: S. 179)
Zu den Moralisten und den „Weltklugheitslehren“ (von Gracián, La Rochefoucauld u. a.) schreibt Cl. Albrecht – der übrigens den spanischen Jesuiten überhaupt erst seit 2013 zu kennen scheint –: „… sie sind Proto-Soziologien und Proto-Psychologien“ (Albrecht 2020: S. 72; vgl. auch S. 130 und S. 23; sowie S. 16: „Protosoziologien“)
Davor jedoch schon ich: „Die Moralisten – wie La Rochefoucauld oder Gracián – sind allerdings bisher von der Soziologie kaum behandelt worden. Ihre Bedeutung als ‚Protosoziologen‘ hat man nicht gesehen.“ (Schwarz: S. 95)
An anderer Stelle schreibe ich: „Norbert Elias sieht die Moralisten, Weltklugheitslehrer des 17. Jahrhunderts als Protosoziologen, Protopsychologen. Ganz ähnlich H. Plessner.“ (Schwarz: S. 30) (So auch A. Schwarz im Februar 2020, in: Graciáns Handbuch der Sozioprudenz III: S. 132)
Was soll man da sagen oder tun? Ich habe den sozialwissenschaftlichen Fachbereich an der Uni Bonn angeschrieben, aber von dort nicht die kleinste Antwort erhalten oder irgendeine verständnisvolle kommunikative Reaktion bekommen. Auch der Campus-Verlag sieht keine Probleme, obwohl er um die durch Clemens Albrecht initiierte Löschung, Enteignung und jetzige Kaperung meines Markennamens weiß. Anscheinend gibt es hier aber professorale Sonderrechte.
Heute mache ich nun die sehr merkwürdige Erfahrung, daß man jetzt – nachdem man erst nichts davon wissen wollte und die Sozioprudenz für ganz überflüssig hielt – sie als grandiose Innovation (die man schon immer höchst begrüßt habe) allenthalben kopieren möchte und sie gerne als eigene Idee ausgibt; ohne mich auch nur zu erwähnen. Erst unverständige Ablehnung und Desinteresse, nun unberechtigte Nachahmung und Verschweigen meiner Person. Das ist wirklich übel und durchaus ein handfester Skandal in unserem Universitäts- und Wissenschaftssystem.
Jeder kann und wird daher wohl verstehen, daß ich jetzt aufgrund meiner Erlebnisse keine weiteren Inhalte irgendwelcher Art mehr bekannt mache, da ich befürchten muss, diese nachher als das Produkt von jemandem anderen publiziert zu sehen; es müsste nun erst einmal klar sein, daß ich die gebührende Anerkennung bekomme und meine Leistungen irgendwie offiziell gewürdigt werden, also z. B. zu einer akademischen Position und Verankerung führen, aus der heraus ich nicht mehr als bloßer Nachahmer erscheine. Mit meinen Kenntnissen und Erfahrungen wäre ich sicher bereichernd für jede Fakultät. (NB: Eine schnelle Veröffentlichung in einem Verlag verbietet sich, da ich dadurch die Möglichkeit zur Einbringung als Qualifikationsschrift endgültig verlöre. Es würde lediglich zu weiteren Ausplünderungen meiner Ideen kommen und meine Inhalte wären schnell als Abkupferungen in vielen Büchern und wissenschaftlichen Arbeiten wieder zu finden. Ohne daß dies für mich zu einem nachhaltigen Nutzen führen würde.)
Jetzt behauptet Herr Albrecht unverfroren – dabei allerdings die von der Universität Koblenz und ihm initiierte Löschung meiner Marke gänzlich verschweigend – er hätte gerne mit mir zusammengearbeitet. Was für ein Witz. Herr Albrecht stellte sich wohl vor, ich solle umsonst mitarbeiten, ihm meine Erkenntnisse abliefern, damit er sie verwerten könne. Deshalb war es natürlich meinerseits vernünftig, ja klug, zu fordern, daß wenn man mein Konzept nutzen wolle, mich auch mit einer Stelle bedenken müsse.
Der damalige Unipräsident und Herr Albrecht stellten stattdessen aber lieber einen Antrag auf Löschung der Marke und führten informelle Gespräche mit der Leitung des Patentamtes, um die gewünschte Löschung auch durchzusetzen (wohingegen dem normalen Antragssteller solch eine Vorzugsberatung natürlich nicht gewährt wird). Ergebnis dieser informellen Gespräche war, daß meine ursprünglich umfassend geschützte Marke mit großem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auf wenige Felder eingeschränkt wurde, worüber sich der feine Herr Albrecht jetzt in seinem Buch auch noch lustig macht; er dürfe die Sozioprudenz frei verwenden, denn er biete keine Kniebeugen oder sportlichen Aktivitäten an.
Herr Albrecht benutzte einfach ganz selbstherrlich und widerrechtlich meine damals noch umfassende und intakte Marke, wollte jedoch auf meinen entsprechenden Hinweis, daß ich an dem Thema bereits seit den 90iger-Jahren arbeite, und daß es sich bei der Sozioprudenz um einen eingetragenen Markennamenhandelt, viel lieber meine schon bestehende Marke löschen lassen (statt mir eine entsprechende Stelle anzubieten). Und möchte dann von mir noch meine Arbeit haben, damit er sie ausschlachten kann.
Und nun behauptet er wahrheitswidrig, daß er gerne mit mir zusammengearbeitet hätte. Absurd. Ich säe – und er erntet. Er wird ja wohl kaum erwarten dürfen, daß wenn von ihm so gegen mich agiert wird, ich anschließend noch Material und Ideen zur Verfügung stelle, die dann seiner Forschung und seiner Reputation zugerechnet werden. Überhaupt muß man sich fragen, was es für ein seltsames Verständnis von Wissenschaft ist, daß ich Herrn Albrecht meine Gedanken mitteilen soll, wenn ich von ihm erwähnt werden möchte; er wird schon selber recherchieren müssen.
Diese gewissenlose Haltung ist übrigens auch in Albrechts zwitterhaftem Buch zu bemerken. Es enthält Feldstudien und Arbeiten von (ehemaligen) Studierenden, aber er bekommt das Honorar, sammelt die Meriten ein und steht als Autor auf dem Cover. Sein Beitrag besteht jedoch hauptsächlich in Überblicken und Literaturempfehlungen, in denen er sagt, welche Texte er zu einem Thema am besten findet. In seiner Vorrede fordert er die Leser auf, ihm Beispielgeschichten frei Haus zu schicken, die er dann in seinen kommenden Büchern und Seminaren verwenden werde. So schreibt man heute offensichtlich ein wissenschaftliches Buch. Oder, um die Werbung des Verlages zu zitieren: „Dieser Band ist Lehrbuch, Ratgeber und Geschichtenbuch in einem. Er führt anhand zahlreicher Beispiele und Übungen, die von Studierenden entwickelt und erprobt wurden, in die Kunst des sozial klugen Handelns ein …“
Die von den Studierenden entwickelten Rollenspiele und sozialen Interaktionsbeispiele haben mitunter in der Tat einen gewissen neuen Erkenntniswert. Hier ist Albrecht aber eigentlich bloß der Berichterstatter und Protokollant, – wiewohl natürlich er vom Verlag entlohnt wird; nicht die fleißigen Studentinnen und Studenten. Im Theorieteil benutzt er die gängige Vorläuferliteratur. Allerdings gibt es dort kaum etwas, was ich nicht zuvor schon woanders – zumal auch bei mir selbst – wissender und stilistisch eleganter gelesen hätte. Sich damit zu Unrecht als Erfinder der Sozioprudenz zu gerieren, ist dreist. Selbstverständlich hat er im Hintergrund ein Netzwerk aus Freunden und Kollegen, das ihn hochjubelt.
Dr. Andreas Schwarz